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  • AutorenbildHeyoka

Das Lachen des Steppenwolfs



Nur für Verrückte


Ich gebe es zu: eines meiner Lieblingslieder ist das von den Toten Hosen vertonte Gedicht von Hermann Hesse "Im Nebel". Während es, wenn ich es bei Wanderungen im Nebel von meinem Handy laufen lasse, noch eher zu Belustigung führt, so stimmt es einige andere, wenn ich es z.B. lautstark im Auto laufen lasse doch eher melancholisch, da es davon handelt, dass man im Leben doch immer alleine sei:


Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den andern, Jeder ist allein.


Voll von Freunden war mir die Welt, Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar.


Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allen ihn trennt.


Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein.





Doch denke ich, dass damit nicht gemeint ist, dass man immer alleine ist und überhaupt keine Freunde und geliebte Menschen findet und man sich auf niemand verlassen kann. Gemeint ist wohl eher, was in einem meiner anderen Lieblingssong "Das Paradies" von den Apokalyptischen Reitern ausgedrückt wird, nämlich, dass man das Paradies letztlich nur in sich selber finden kann.





Von etwas Ähnlichem handelt mein Lieblingsbuch meiner Jungend (ja, auch das gebe ich zu), der Steppenwolf.


Steppenwolf ist zwar auch eine Band, die „Born to be wild“ gesungen hat, doch in erster Linie (und davon wurde auch der Bandname inspiriert) ist es ein Buch des Literatur-Nobelpreisträgers (von den damaligen deutschen Kritikern spitzhaft als der Zwerg unter den Nobelpreisträgern verschrien) Hermann Hesse, an dem er in Basel zu schreiben begann, dessen Entstehung ihn aber eine lange Lebensphase begleitete.


Zusammenfassen kann man das Buch wie folgt: Harry Haller ist eine gespaltene Persönlichkeit. Er glaubt aus zwei Naturen zu bestehen, Mensch und Wolf, Kultur- und Triebwesen. In der bürgerlichen Gesellschaft ist er ein Intellektueller und Aussenseiter, der zunehmend depressiv wird und an Selbstmord denkt. Irgendwann drückt ihm jemand nachts auf der Strasse das Traktat vom Steppenwolf in die Hände, in dem es um ihn selber geht. Er wird darauf hingewiesen, dass er nicht nur aus zwei Persönlichkeiten sondern aus vielen besteht. Zudem soll er das Magische Theater besuchen. Jetzt lernt er Pablo, einen Saxophonspieler und Hermine, die ihn in die Welt des Tanzens und der Lust einführt, kennen. Harry sieht in sein eigenes Unbewusstes und muss erkennen: Er ist nicht nur Mensch und Wolf, sondern ein noch weit vielfältigeres Wesen. Ihm fehlen nur der Humor und die Gelassenheit, sich als solchermassen gespalten zu akzeptieren.



Wichtig für uns ist jedoch vor allem eine Szene im Magischen Theater. Im Magischen Theater beginnt für Harry Haller eine von Drogen, welche er von Pablo erhalten hat, beeinflusste Reise. Erst macht er Hochjagd auf Automobile. Hinter der Tür „Anleitung zum Aufbau der Persönlichkeit“ trifft er auf einen Schachspieler. Dieser sieht Pablo sehr ähnlich und spielt mit Schachfiguren, die Harrys Einzelpersönlichkeiten symbolisieren und die untereinander Freundschaften schliessen oder sich bekämpfen. Hinter der Tür mit der Aufschrift „Wunder der Steppenwolfdressur“ gelangt Harry in einen Zirkus, wo er auf einen ihm ähnlich sehenden Tierbändiger trifft, der einen halb verhungerten Wolf dazu dressiert, das Lamm vor ihm zu verschonen. Daraufhin tauschen Mann und Tier ihre Rollen, und der Tierbändiger soll dem Wolf gehorchen. Doch im Gegensatz zum Wolf verschont der Mann das Lamm nicht, sondern zerreisst und frisst es. Hinter der Türe „Alle Mädchen sind dein“ wird Harry in seine Jugend zurückversetzt und trifft alle Mädchen und Frauen wieder, die er gekannt hat. Diesmal aber lebt er mit jeder die Liebe aus, was er in der Wirklichkeit verpasst hat.



Als er die Tür „Wie man durch Liebe tötet“ durchschreitet, wird er in seinen alten, depressiven Zustand zurückgeworfen. In seiner Tasche entdeckt er erschrocken ein Messer und plötzlich begegnet er einem irrsinnigen Mozart. Im nächsten Augenblick steht er vor einem grossen Wandspiegel, in dem er noch einmal dem Verlauf seines ganzen Lebens zusehen kann. Das meiste, was er sieht, gefällt ihm nicht. Mit dem Messer in der Hand schreitet er ins nächste Zimmer, um sich dort umzubringen, findet am Boden Hermine und Pablo vor, die erschöpft vom Liebesspiel eingeschlafen sind. Als Hermine aufwacht und verwundert zu Harry aufblickt, ersticht er sie und bereut es sofort. Pablo erwacht gleich darauf und verlässt lächelnd den Raum. Plötzlich erscheint Mozart, diesmal mit einem Radioapparat, aus dem ein Händelkonzert mit grässlichen Störgeräuschen zu hören ist. Harry ist von seinem Idol Mozart schockiert. Dieser jedoch beruhigt ihn und ermahnt ihn, die Dinge mit Humor zu betrachten und endlich das Lachen zu lernen.




Die nächste Inschrift lautet: „Harrys Hinrichtung“. Dies bedeutet aber nicht seinen Tod, sondern seine Verurteilung zum ewigen Leben, zur zwölfstündigen Verbannung aus dem magischen Theater und zum Ausgelachtwerden. Das Urteil wird sofort vollzogen.

Harry kehrt in die Wirklichkeit zurück, die Wirkung des Rauschmittels lässt nach. Pablo sitzt vor ihm und wiederholt, was Mozart schon gesagt hat. Harry nimmt sich vor, von Neuem hinter alle Türen zu blicken, alles Leid nochmals zu ertragen, bis er sein Leben verstanden und bis er zu lachen gelernt hat.


Das Lachen im Steppenwolf sehe ich als ein göttliches Lachen, ein Lachen über das, was einem passiert ist. Aber nicht ein frustriertes Lachen, sondern ein beschwingtes Lachen. Statt in Depression zu verfallen, lacht man. Somit ist es auch ein heilendes Lachen. Und es ist ein verbindendes Lachen, da man mit diesem Lachen all seine Anteile (symbolisiert durch die vorhergehenden Erlebnisse/Türen) anerkennt, sie sieht und nicht verwirft, sondern integriert.


Schade ist, dass Harry dies durch Drogen lernen muss. Die Erzählung erinnerte in den Hippiejahren viele an einen LSD-Trip. Ich hatte mal vor langer Zeit in der Wüste von Mexiko Peyote (ein Kaktus mit ähnlicher Wirkung, der von Schamanen benutzt wird). Heute würde man vielleicht eher Ayahuasca nehmen. Oder noch etwas Moderneres – ich bin da ehrlich gesagt nicht auf dem Laufenden.




Ja, sie sind der (vermeintlich) schnellere Weg. Doch machen sie abhängig. Mit Lachyoga lernt man auch ganz ohne Drogen über sich zu lachen. Probiere es mal aus. Selbstverständlich können auch unsere anderen Events wie Feuerlaufen oder Trance Tanz zu ähnlich aufbauenden Erlebnissen führen.


Ich denke, dass auch Hermann Hesse das (schlussendlich?) begriffen hat, denn anders kann ich mir sein Gedicht "Stufen" nicht erklären. Dort findet man viel von Wachstum und m.E. keine Drogen:




Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.


Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen; Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.


Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegen senden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden, Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!




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